Wie hältst Du’s mit der Arbeit, sprich?

Zum meinem Beitrag »Ertragbare Utopie gesucht – biete umfangreiche Erfahrungen im Scheitern« aus dem Januar, ist kürzlich noch ein Kommentar von Odobenus reingeflattert:

Ich habe den Eindruck, dass der Fokus der Kommuneprojekte auf der Arbeit liegt. Wieso eigentlich? Wieso emanzipiert man sich nicht radikaler von der kollektiven ins wahnhafte übersteigerte Konzentration des Lebens auf die Arbeit? Muss der Gesellschaft seitens der Kommunarden bewiesen werden, dass sie alles mindestens genauso gut können wie sie selbst? Wieso wird der Gott des dt. Kapitalismus, die Arbeit, nicht als Zwangsvorstellung beerdigt?

Aus einem ersten Impuls heraus, wollte ich direkt dort am Artikel antworten, fand die Frage dann aber so vielschichtig interessant, dass ich dazu lieber in einem eigenen Beitrag Stellung nehme. Nun denn:

Die erste Frage, die mir in den Kopf kommt: Was ist Arbeit?
In Kommune-Kreisen wird bei dieser Frage gerne zwischen reproduktiver und produktiver Arbeit unterschieden, also Arbeit zum Gelderwerb und solcher, die einfach immer wieder getan werden muss. Zu letzterem gehört bei uns: Ins Plenum gehen, an Kleingruppen teilnehmen, Schulfahrten, Heizen und Holz machen, sowie auch Kochen, Putzen, … Wo ich in dieser Kategorisierung zum Beispiel Ausbau und die Instandhaltung unserer Gebäude einordnen soll, weiß ich gar nicht so richtig. Weil wir da viel Arbeit selbst reinstecken, sparen wir Geld und das müssen wir nicht erwerben. Es ist also keine Erwerbsarbeit, aber auch keine (im Normalfall) immer keine wiederkehrende Aufgabe. Aber egal, ich habe es sowieso nicht so mit Kategorien.

Aber zurück zum Arbeitsbegriff. Ich habe mal folgende Definition gehört: “Arbeit ist eine Tätigkeit, die mensch für andere tut”. Das verkürzt den Begriff sicherlich und lässt einige seiner Eigenschaften außer Acht. Ich finde sie aber im Kontext “Kommune und Arbeit” durchaus interessant. Ist es noch Arbeit, wenn ich es für mich bzw. meine Gemeinschaft tue? Wenn ich etwas ausschließlich für mich tue, dann kommt mir dabei selten der Begriff “Arbeit” in den Sinn. Wenn ich das eine oder andere für meine Gemeinschaft tue, dann schon eher. Bad putzen und Abendessen kochen sind solche Tätigkeiten, die sich für mich nach Arbeit anfühlen. Sie werden bei uns auch als Arbeit gesehen. Und ich habe durchaus das Gefühl, dass wir in Kommune da schon einen anderen Blick drauf haben. Im Privatleben sind Putzen und Kochen in ihrer Wertigkeit selten mit der Gelderwerbsarbeit gleichgestellt. Bei uns in der Regel schon.

Liegt also der Fokus in Kommune-Projekten auf der Arbeit? Die Frage lässt sich sicherlich nicht pauschal und schon mal gar nicht einfach beantworten. Wenn wir jetzt mal die Erwerbsarbeit betrachten, dann gibt es Gemeinschaften, da sind die Arbeitsplätze der KommunardInnen vornehmlich in kommuneeigene Arbeitsbereichen zu finden. In anderen Gemeinschaften findet der Gelderwerb überwiegend außerhalb und oft in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen statt. Wenn mensch also den Gelderwerb auslagert, verlagert sich dann nicht auch der inhaltliche Fokus der betreffenden Gemeinschaft? Etwas einfacher ausgedrückt: Wenn mensch im Alltag zusammen arbeitet, lebt und wirtschaftet, dann nimmt das Thema Arbeit eine andere Rolle ein, wie wenn es 30-40 Stunden ausgelagert ist.

Wir sind eine Kommune in der im Bezug auf den Gelderwerb überwiegend vor Ort gearbeitet wird. Es gibt nur eine Person, die abhängig beschäftigt ist. Ansonsten sind einzelne selbständig tätig und andere in Arbeitsbereichen organisiert. Das ist manchmal Mittel zum Zweck, wir brauchen schlichtweg Geld um die Gebäude instand zuhalten und auszubauen, Lebensmittel zu kaufen, mobil zu sein, etc. pp., manchmal ist es zudem auch Sinn stiftend und erfüllend. Aber auch verbindend. Zusammen zu arbeiten, ist meiner Ansicht nach eine sehr wichtige Komponente, wenn wir zusammen solch ein Projekt stemmen wollen.

Es fällt mir aus dem Erleben von Kommune heraus sehr schwer, unserem Arbeitsbegriff etwas göttliches abzugewinnen. In meinem Idealismus-Köfferchen, dass ich hier in die Kommune mitgebracht habe, war auch eine ziemlich große Portion Kapitalismus-Kritik. Und ich habe sie hier wahrlich nicht verkommen lassen. Im Gegenteil: Sie ist genährt worden und gewachsen. Aber das Idealismus-Köfferchen hat einiges abgekommen. Es ist einfach sehr real, dass wir “die Leute hier am Kacken halten müssen” (Dies ist ein Zitat). Doch erlebe ich es jeden Tag, dass sich hier das Arbeiten an sich deutlich von dem unterschiedet, welches ich vor meiner Kommune-Zeit kennengelernt habe. In meine Kollektiv wird einmal in der Woche mindestens eine Stunde darüber gesprochen, wie es uns mit unserer Arbeit geht. Dieser “Spirit” durchzieht mein Tätigsein und macht es somit meist zu etwas anderem als Arbeit.

Ich werde aber weiterhin über die Worte von Odobenus in seinem Kommentar nachdenken. In dem Thema steckt noch einiges, und vieles davon habe ich bei weitem noch nicht durchblickt. Danke für den Impuls…

2 Gedanken zu „Wie hältst Du’s mit der Arbeit, sprich?“

  1. Dieses Arbeitsthema beschäftigt mich ja auch schon länger. Den herkömmliche Arbeitsbegriff in Frage zu stellen ergibt sich ja quasi beim Leben in Kommune: was ist eigentlich Arbeit? Das was bezahlt wird? Das was einen anstrengt oder das wo ein Ergebnis sichtbar wird (hier gerne Bautätigkeiten). Was ist wenn mir was Freude macht ist es dann Hobby? Und na klar der ganze reprodutkitve Bereich, wie du schon oben gesagt hast. Diese Tätigkeiten als immer wieder kehrend zu definieren erscheint mir allerdings zu kurz gegriffen. Es geht dabei auch immer um Wiederherstellung der Arbeitskraft/Leistungsfähigkeit. Mir jedenfalls gefällt das alles nicht mehr so. Im Moment denke ich in folgenden Kategorien: Arbeitsbegriff streicehn – dafür: 3 Arten von Tätigkeiten, die für eine gutes (kommune-)Leben statt finden sollten: Tätigkeiten für Geld, Tätigkeiten bei denen ich kreativ sein kann und und Gestaltungsmacht spüren kann und notwendige Tätigkeiten. Wobei es natürlich so ist, dass es da Überschneidungen gibt. Diese 3 Arten tätig zu sein finde ich wichtig, da für ein gutes Leben eine grundlegende finanzielle Absicherung Voraussetzung ist (Grundeinkommen würde das auch schaffen) und Geld ist auch eine Form von anerkennugn, von der ich mich (bisher?) nicht emanzipiert habe. Um sich lebendig zu fühlen muss es Raum für Kreativität, Austausch und Inspiration geben, es tut gut etwas schönes oder sinnvolles zu gestalten und zu schaffen – intellektuell oder handfest. Und eben diese ganzen notwendigen Tätigkeiten, Essenversorgung, Versorgung von Kindern, Instandhaltung und Pflege, sei von Gebäuden oder Kleidung. Die Ergebnisse dieser Tätigkeiten lassen sich nicht zählen, sie haben keinen Bestand – aber wenn die Versorgung nicht gewährleistet ist, haben wir echt ein Problem und deshalb sind diese Tätigkeiten notwendig, auch wenn es nicht immer Spaß macht sie zu erledigen. Und sich um Erhalt, Pflege und Weiderverwertung von diversen Dingen zu kümmern ist auch ein Stückweit politisch, da es der Wegwerfgesellschaft entgegen steht und auch Beziehungen zu den Dingen schafft und auch die Beziehugnen zwischen den beteiligten Menschen intensiviert. Vielleicht ist es aufgefallen, bei dieser Denkweise, gibt auch keine “Freizeit” mehr nur die Option bei all dem Tätig sein auch ma nichts zu tun.
    Dass ich einige Inspiration bei Antje Schrupp gefunden habe, insbesondere den Begriff der “notwendigen Tätigkeiten für ein gutes Leben” will ich nicht verheimlichen, sehr spannden ist es auch z.B. hier:http://antjeschrupp.com/2011/03/31/andere-arbeiten-immer-ich-arbeite-nie/

  2. Was ist eine Landkommune ohne eigenen Garten?Die Verbundenheit mit der Natur, zu Spüren, dass ich mein Essen selbst anbauen kann, zu erfahren, dass mir Menschen in meiner Nähe in meinem Alltag helfen, dass ich meinen Nächsten helfen kann, das ist der Charme der Selbstversorgungswirtschaft. Dieser Teil des Wirtschaftens ist nicht nur “Arbeit”, sondern auch Begegnung mit Kommunarden, Lernraum für Erwachsene und Kinder, Kulturraum. Hier gibt es bereits konkretes: Zusammen mit einer Bio-Gärtnerei in Lüdersen laden wir Menschen ein, gemeinsam Gemüse selbst anzubauen – gemeinsam säen und ernten, gemeinsam das Jahr feiern, gemeinsam Verantwortung für ein Stück von Mutter Erde tragen.

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